Bericht in der „FAZ“ am Freitag, den 16.11.2001

Mensch, Natur & Technik

Glosse
Spuck mir ins Röhrchen, Kleiner!
Von Von Kirsten Lindloff

16. Nov. 2001 Unausblendbar robbt sich die Weihnachtszeit heran. Und während die Kälte in die Knochen kriecht, erklimmen wohl vertraute, sorgenvolle Fragen die Hirnrinde: Was schenke ich bloß?

Besonderes Kopfzerbrechen bereiten ja die unheimlich persönlichen Präsente für die, mit denen man unheimlich persönlich so verkehrt. Aus der Rubrik „persönlicher-geht´s-kaum“ offeriert jetzt ein Münsteraner Molekularbiologe, sich die Gene des Liebsten in einem winzigem Glasröhrchen um den Hals zu hängen. Deutlich unromatischer als sich wehmütig seufzend eine Locke abzuscheiden, kommt die körperliche Eigenleistung des Schenkenden daher: Bevor Harutyun Melkonyan im heimischen Labor aus Mundschleimhautszellen den DNA-Faden häkelt, muß man schnöde in ein Röhrchen spucken. Und irgendwie erinnert die in fluoreszierender Lösung schwimmende milchigtrübe Wolke an etwas, das auch in den Untiefen der Nase geboren worden sein könnte.

Sollten mehrere Verehrer auf die Idee kommen, per Gengeschenk einem ihre inneren Werte nahe zu bringen, drohen obendrein Verwechselungen. Wer war noch gleich Frank und wer Tim? Im direkten Vergleich der Gen-Geschwurbsel kann sich nämlich der Gedanke aufdrängen, dass doch alle Männer irgendwie gleich sind.

Derweil bietet Melkonyan zur Abwechslung sechs farbige Süppchen an, in denen die DNA dümpelt. Zukünftig könnte Malkonyan als noch zeitgemäßigere Geschenkidee sein Produkt aufmotzen, indem er Hologramme der Genlieferanten einarbeitet und das Genfädchen zu Musik wippen lässt. Und unterdessen wächst vielleicht der Wunsch, während der Winterabende Zuneigung zu offenbaren, indem man ganz altmodisch ein paar Gene tauscht.

(Visited 26 times, 1 visits today)