Bericht in der „FAZ“ am Mittwoch, den 12.12.2001

Genial?
Weihnachten steht vor der Tür, und wie jedes Jahr stellt sich für viele dieselbe Frage. Was schenke ich bloß meinen Liebsten, vor allem dann, wenn sie ohnehin schon alles haben? Ein Präsent, das garantiert originell ist und kaum persönlicher sein kann, versprechen ein Molekularbiologe aus Münster und eine Firma in Freiburg: die eigene Erbsubstanz für die oder den Liebsten in einem kleinen Glasröhrchen zum Umhängen. Die Schmuckstücke leuchten im Dunkeln wahlweise rot, gelb, grün oder blau. Gewonnen wird die Desoxyribonukleinsäure höchst unromantisch aus dem Speichel auf der Zunge. Darin befinden sich reichlich Zellen der Mundschleimhaut, aus denen man genügend DNS-Moleküle herausfiltern kann. Doch Achtung! Die Geschenkhersteller weisen ausdrücklich darauf hin, daß kein „Schnott oder Rotz“, also gewöhnliches Nasensekret, in den Speichel geraten darf. Auch sollte man vorher kein Nikotin, keinen Kaffee oder andere färbende Stoffe konsumiert haben. Aus dem herausgelösten Speichel wird die Erbsubstanz zusammen mit einer fluoreszierenden Alkohollösung in ein sechs Millimeter breites und drei Zentimeter langes Glasröhrchen gefüllt. Darin ist sie als kleiner schwebender Knäuel sichtbar. Einen Klon könne man derzeit aus dem Inhalt der Anhänger nicht erschaffen. Auch sei eine Verwechslung der Erbmoleküle bei der Produktion und dem Vertrieb auszuschließen. Doch die Verwirrung wird groß, wenn die Angebetete von mehreren Verehrern Gen-Präsente erhält. Vielleicht ist es dann doch romantischer, wie früher Haarlocken auszutauschen. Zumal die Haare nicht so leicht vergammeln wie die DNS-Moleküle. mli

 

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